Nicole

 Mein Name ist Nicole, bin 40 Jahre alt und arbeite in der Altenpflege. Das Lipödem „begleitet“ mich seit nun mehr knapp 28 Jahren. Die erste Diagnose bekam ich 2002, da wurden mir Kniekompressionsstrümpfe verschrieben. Die konnte ich nicht lange tragen, weil ich dachte, meine Knie würden explodieren vor Schmerzen.

 

Mir hatte keiner erklärt, was ein Lipödem ist. Das Gewicht wurde immer mehr... die Hosen musste ich immer grösser kaufen. Irgendwann hatte ich einen Stopp, hatte aber ständig Schmerzen, blaue Flecken und schämte mich immer mehr, mal schwimmen zu gehen.

 

Alle sagten immer „Nicole, du hast aber zu gelegt... tu mal was!“ ich wusste nicht, warum das so war. Alles hab‘ ich versucht: Nulldiät, nur einen Apfel am Tag, nur Trinken, Tabletten aus der Apotheke, Diätdrinks, Sport… Nichts half.

 

2012 wurden die Schmerzen immer schlimmer, also überwies mich mein Hausarzt zum Phlebologen. Der sagte mir dann, dass ich ein Lipödem habe und klärte mich zum ersten Mal auf, was das ist. Ich bekam meine erste maßangefertigte Kompression, es waren Strümpfe bis zur Hüfte. Die Schmerzen blieben gleich. Jedes halbe Jahr sollte ich zur Kontrolle kommen. Es wurde trotzdem schlimmer. Also bekam ich 2014 eine neue Versorgung, bestehend aus Strümpfen bis zur Hüfte und zusätzlicher Radlerhose, die ich überziehen musste. Zum ersten Mal bekam ich 10 Einheiten manueller Lymphdrainage. Das tat sehr gut.

 

2015 erklärte mein Phlebologe mir auf meine verzweifelte Nachfrage zum ersten Mal, hatte, dass es die Liposuktionen gibt, man sie aber selbst zahlen muss. Ich stellte dennoch einen Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse, welcher abgelehnt wurde. Es kam 2016 wieder ein Schub. Meine Tochter war zu dem Zeitpunkt 16, sie ist ebenfalls betroffen und leidet sehr darunter. Wir gingen zur Gefäßklinik Rhein- Ruhr in Essen und kurz darauf zur Lipoclinic Dr. Heck, dort wurden jeweils Gutachen von uns gemacht und Kostenvoranschläge erstellt. Es wurde wieder von der Kasse abgelehnt. 2018 stellten wir beide erneut einen Antrag auf Kostenübernahme für Liposuktionen. Wir sind VDK-Mitglieder und eine Anwältin unterstützt uns jetzt.

 

Bei mir ist es so, dass ich schon von den Folgeerkrankungen betroffen bin. Beginnende Arthrose im unteren Rücken, Fehlstellung der Hüften und Füße, Verschleiß der Knie, massiver Druck auf die Schultergelenke ect. Seit Ende Dezember 2018 bin ich krank geschrieben aufgrund des Lipödems und der Folgeerkrankungen. Bescheinigungen von 14 Ärzten, inklusive Betriebsärztin, wurden von mir eingereicht, zweimal MRT und diverse Gutachten, die nach Aktenlage erstellt wurden. Anfang Juli musste ich persönlich zur sozialmedizinischen Untersuchung zum MDK aufgrund der Arbeitsunfähigkeit, dort wurde ich von einem Palliativmediziner „untersucht“. Ich hatte ihm gesagt, dass ich Zukunftsängste, Existenzängste und Angst vor noch schlimmeren gesundheitlichen Folgen habe. Er meinte, ich soll 3-6 Wochen in die Reha, dann in die Psychiatrie und danach zum Schmerztherapeuten. Ich bin nervlich am Ende... finanziell genauso.

 

Ich muss zum Sozialgericht Gelsenkirchen, von dort wurden mir Fragebögen zugeschickt, die ich ausgefüllt und zurückgeschickt habe. Aufgrund der Recherchen, die ich machen musste, stellte sich raus, dass nicht ein einziger lipödem-kundiger Facharzt ein Gutachten erstellt hat. Von Neurologie bis Palliativmedizin war fast alles dabei. Meine Tochter muss zum Sozialgericht nach Duisburg.

 

Mir wurde nicht einmal der schmerzen-reduzierende Lymphomat genehmigt. Lymphdrainagen bekomme ich nicht mehr verschrieben, der Phlebologe sagt die bringen nichts beim Lipödem und sein Budget sei dafür zu schade. Letzte Woche habe ich Post bekommen, das Sozialgericht Gelsenkirchen sei nicht zuständig, sondern das Sozialgericht in Münster. Die Klage läuft seit Juni...